Rot wie die Liebe
Rot wie die Liebe
Helena Bonham Carter ist bereits in einer Vielzahl von Film-, Fernseh- und Theaterprojekten aufgetreten. Zuletzt war sie in „Harry Potter und der Halbblutprinz“ zu sehen, wo sie die Rolle der Bellatrix Lestrange erneut aufgriff. Eine Rolle, die sie zum ersten Mal 2007 in „Harry Potter und der Orden des Phönix“ spielte und die sie im anstehenden zweiteiligen Finale der Filmreihe auch erneut spielen wird. Helena Bonham Carter erhielt eine „Golden Globe“- Nominierung und gewann den „Evening Standard British Film Award“ als Beste Schauspielerin für ihre Rolle als Mrs. Lovett in Tim Burtons „Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street“, wo sie an der Seite von Johnny Depp auftrat. Am besten gefiel sie uns jedoch in David Finchers „Fight Club“, wo sie Marla Singer, eine ähm, Überlebenskünstlerin spielt. Diesmal bewundern wir sie als Rote Königin in Tim Burtons epischem Fantasy-Abenteur „Alice im Wunderland“ (ab 04.03. im Kino) und nicht nur, weil Tim auch ihr Lebensgefährte ist.
Beschreiben Sie ihren Charakter.
Tim hat mehr oder weniger gesagt: ‚Nun, Du wirst natürlich die Königin spielen. Schau mal, das ist meine erste Zeichnung von ihr.’ Und er zeigte mir das Bild einer wirklich zornigen Person. (lacht). Und ich sagte, ‚oh ja, wirklich?’ Worauf er meinte, ‚schau mal, sogar die ganzen Zeichner haben dich gemalt’. Und dann zeigt er mir dieses Bild von einer schrecklich alten Hexe, mit einem überdimensional großen Kopf, die irgendwie zu knurren scheint. Also spiele ich die Rote Königin, die eben eine Königin ist – und ich habe einen wirklich riesengroßen Kopf. Sie hat emotionale Probleme. Wegen nichts und wieder nichts verliert sie die Fassung. Ihre Wutanfälle sind wie die einer Zweijährigen. Sie regiert nicht mit Gerechtigkeit oder Fairness, sondern sie führt ein Terrorregime. Ich lasse den Leuten die Köpfe abschlagen. Das ist meine Lösung für alles. Vielleicht kommt das von einer unterschwelligen Unsicherheit ob der Tatsache, dass sie einen so großen Kopf hat und alle anderen einen ganz normalen. Die Königin zu spielen hat Spaß gemacht, ich liebe es Königin zu sein. Mir gefällt, dass sich alles nur um sie dreht. Letztlich ist sie nichts anderes als ein verwöhntes Kind. Alles wird ihr abgenommen. Sie hat für absolut niemanden etwas übrig, und die Gefühle von anderen sind ihr völlig egal, es zählen nur ihre eigenen. Eigentlich hat sie kein Herz, obwohl sie ja die Herzkönigin ist. Es hat wirklich sehr, sehr viel Spaß gemacht.
Was passiert am Anfang des Films in Unterland?
Unterland, das von Alice bei ihrem ersten Besuch für Wunderland gehalten wird, unterliegt der Herrschaft der Roten Königin. Die Weiße Königin sollte eigentlich auf dem Thron sitzen, obwohl ich die ältere bin. Unsere Eltern haben mich aber einfach übergangen und meiner jüngeren Schwester die Krone gegeben. Jeder und alles ist in Aufruhr. Während die Gefolgsleute der Weißen Königin rebellieren, regiere ich einfach weiter – mit der einzigen Person an meiner Seite, die ich liebe, Stayne, dem Herzbuben, meiner rechten Hand.
Wie sieht die Beziehung zwischen der Weißen und der Roten Königin aus?
Nicht gut, würde ich sagen. Jeder scheint sie zu mögen und ich kann das einfach nicht verstehen. Sie hat doch den kleinen Kopf. Ich schätze meine Eltern haben sie bevorzugt, wissen Sie. Sie mochten mich nicht und sie haben mir mit der Krone nicht vertraut – was wirklich ungerecht ist, weil ich doch die ältere bin. Und jeder liebt sie. Sie ist vermutlich in ihrem Palast mit allen Kräutern und leitet eine Kochshow und ich stecke fest. Ich bin wirklich unpopulär, niemand mag mich. Aber ich bin die Königin und als solche müssen sie mich auch behandeln.
Was denken Sie über Anne Hathaway?
Anne ist liebenswert. Wir haben uns gut amüsiert. Es wäre schön gewesen, mehr Szenen zusammen zu haben. Letztlich definieren wir uns und unsere Charaktere gegenseitig, weil wir wie Antipoden sind. Das tolle an Anne ist, dass sie einfach die gute und langweilige Weiße Königin hätte sein können, aber sie hat ihre eigenen verrückten Ideen in die Rolle eingebracht. Sie ist wirklich eine clevere Schauspielerin. Es hat Spaß gemacht Schwestern zu spielen, die sich hassen. Und sie sieht auch so wunderschön aus.
Wie hat der große Kopf ihr Schauspiel verändert?
Was ich nicht machen konnte, war mir mit den Händen ins Gesicht zu fassen, und das macht man öfter, als man denkt. Meine Hände wären sonst später zusammen mit meinem Kopf vergrößert worden. Aber das größte Problem war, dass ich mehr oder weniger täglich so gegen zehn Uhr meine Stimme verlor, weil die Rote Königin so viel schreit. ‚Herunter mit seinem Kopf! Herunter mit ihrem Kopf!’ Es ist wirklich anstrengend, ständig seine Fassung verlieren zu müssen.
War es mit dem Schminken schwierig?
Letztlich ist sie eine seltsame Comic-Ausgabe von Elisabeth I., also haben sie meine Augenbrauen verschwinden lassen und mir eine hohe Stirn verpasst. Ich hatte da so eine Plastikhaut, die sich von meinen Augenbrauen über meinen ganzen Kopf erstreckte. Und darauf hatte ich eine prächtige rote Perücke und darauf wiederum hatte ich eine prächtige Krone. Und ich hatte einen wunderschönen blauen Liedschatten, weil Tim denkt, dass blau irgendwie eine etwas kitschige Farbe ist. Sie ist keine geborene Königin. Sie ist jemand, der alles nur vorspielt, denn eigentlich sollte sie ja gar nicht die Königin sein. Daher der blaue Lidschatten und die gemalten Augenbrauen. Johnny Depp und ich haben mit der weißen Schminke beide auch clownhafte Züge.
Was gefällt Ihnen an Tims Arbeit?
Es ist immer eine Überraschung zu sehen, was er sich ausgedacht hat. Er ist sehr verschlossen, wenn es um seine Kreativität geht. Er gibt nichts davon preis. Es gibt da diese abergläubische Stille um ihn herum und es laufen eine Menge unbewusster Dinge in ihm ab – er will über nichts reden, weil das seinen kreativen Prozess unterbrechen würde. Ich habe gelernt, ihm seinen Freiraum zu geben und ich stelle ihm keine Fragen. Die wichtigen Dinge lässt er mich dann schon wissen. Manchmal fühle ich mich ernsthaft privilegiert, wenn er nach meiner Meinung fragt und über die Dinge diskutieren will. Er hat eine unvorstellbar gute emotionale Einfühlungsgabe Menschen gegenüber und dafür, was passend ist und was noch benötigt wird. Sein Geschmack ist unfehlbar. Seine Beobachtungsgabe ist ebenfalls unfehlbar, genau wie sein Sinn für Humor. Er ist immer wahnsinnig originell.
Ist es schwer mit seiner besseren Hälfte zu arbeiten?
Mit seinem Lebensgefährten zu arbeiten, ist immer interessant. Sweeney Todd war ziemlich stressig, es lastete da ein enormer Druck auf uns, und ich hatte noch nie zuvor gesungen. Und er hatte noch nie zuvor ein Musical gemacht. Aber bei Alice war Tim sehr entspannt. Ich glaube als Menschen sind wir vielleicht gereift, oder auch nicht. Ich weiß es nicht. Aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht.
Wie bringen Sie ihre Familie in Einklang mit ihrer Arbeit?
In unserem Beruf wird es einem schon leichter gemacht, denn der Job den wir haben, ist im Prinzip ein kindlicher. Wir spielen immer nur etwas vor, wissen Sie? Also bin ich mit meinem Sohn Bill eigentlich auf dem gleichen Level. Tim befand sich sowieso schon immer auf diesem Level. Es ist nicht sehr schwer Bill zu erklären, warum ich nicht bei ihm sein kann. Es ist zugegebenermaßen harte Arbeit, aber das ist in Ordnung, weil es zeitlich begrenzt ist. Und natürlich muss man verständnisvolle Kinder haben.
Was war für Sie das Lohnenswerteste ein Teil dieses Films zu sein?
Mit Tim und Johnny zu arbeiten. Es macht immer Spaß mit ihnen zu arbeiten. Nein, es ist sogar ein Privileg. Und außerdem ist „Alice im Wunderland“ eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich konnte ein Teil von Wunderland sein und durfte die Königin spielen. Und die Tatsache, dass auch wir eine Tochter haben, ist ein sehr glücklicher Umstand. Es ist erstaunlich. Was auch erstaunlich ist, ist die Tatsache, dass Tim vor gar nicht allzu langer Zeit dieses Haus gekauft hat – als Produktionsbüro. Es ist das Haus von Arthur Rackham, in dem er Anfang des 20. Jahrhunderts seine eigene Ausgabe von „Alice” illustrierte. Also ist es doch ein außerordentlicher Umstand, dass Tim Burton 100 Jahre später in demselben Haus eine neue Version von „Alice” erdenkt. Und als Tim mich fragte, ob ich die Königin sein wollte, ging mir das wirklich sehr nahe und ich fühlte mich privilegiert, in dieser Position zu sein. Und es war eine großartige Rolle. Es gab da diesen urkomischen Moment, als ich das Drehbuch las und über meine Figurenbeschreibung stolperte. Da stand so etwas wie ‚Königin, klein, aber mit sehr großem Kopf’. Ich liebte es diese Rolle zu spielen und ich vermisse es Königin zu sein.