Sport ist Mord, oder?

Sport ist Mord, oder?

 

 

Wer schon mal das Wort „Bootcamp“ gehört hat, denk bestimmt an Schweiß treibenden Sport im Regen mit einem Drill-Instructor, der über einem steht und mit einer Trillerpfeife zu fünfzig Liegestützen verdonnert. Dabei liegt er gar nicht so verkehrt. Warum ich es dennoch gemach habe, lesen Sie hier:

Es ist Mittwochabend und mir ist langweilig. So richtig langweilig. Im Fernsehen läuft nichts und meine Freunde sind heute zu faul, um etwas zu unternehmen.
Meine Freundin Clara ruft an und ich bin zu jeder Schandtat bereit. Ich freue mich, dass sie mich aus dem Haus zerren will und öffne im Geist schon die Flasche Rosé-Wein, die wir uns gleich teilen werden. Doch sie eröffnet die Rede mit den Worten „Bootcamp“ und ich lege auf. Sport. Ist. Mord. Das ist meine Lebenseinstellung und dabei bleibe ich. Ich habe noch nie länger Sport als zwei Wochen gemacht und das natürlich kurz vor der Bikini-Saison. Warum soll ich mein Leben mit etwas verschwenden, was mir überhaupt nicht liegt. Ich muss zugeben, ich bin nicht die Fitteste, schon beim Treppensteigen bekomme ich keine Luft, aber ich will nicht abnehmen, also steht es gar nicht zu Debatte, dass ich zu diesem „Bootcamp“ mitkomme. Nach draußen. In den Englischen Garten, wo mich jeder beim Schwitzen sehen könnte. Ohne mich.

Eine Woche später. Mir ist wieder langweilig. „Nun koooooomm schon. Das eine Mal.“ Clara lässt nicht locker. Na schön. Ein Mal. Wir radeln zu der Trainings-Stelle und ich bin schon von der Fahrt ganz müde.

Die Trainerin ist kein bulliger Mann mit Achselhaaren, sondern eine zierliche Blondine, die nicht plärrt. Ok. Schon besser.

Die erste Übung ist ABC-Laufen. Das sind verschiede Variationen von Laufübungen zum Aufwärmen. Zehn Minuten später ist mir ganz übel. Mein Herz rast, mir ist schwindelig. Ich schwitze wie Sau. Glücklicherweise sind hier Bänke verteilt. „Nicht hinsetzen,“ die Trainerin Marina ist da ganz streng. „Trink lieber mal was.“ Oh man. Ich habe gerade meine Lunge verloren und darf mich nicht hinsetzen. Dazu fängt es an zu regnen. „Clara ich hasse dich.“ Flüstere ich meiner Freundin zu. Während der ganzen Bootcamp-Stunde gibt es keine Pause. Naja, Pausen gibt es schon. „Lohnende Pausen“, bei denen man zwischen den Übungen auf der Stelle „skippt“ also mit hoch angezogenen Knien auf der Stelle joggt oder Seil springt. Die Worte „Kill me now“ stehen fett in meinem Gesicht geschrieben. Ich mag nicht mehr. Für heute steht ein Arme- und Bauch-Training an. Das heißt abwechselnde Bauchmuskel-Übungen, wie Crunches, Schere, Klappmesser und unterschiedliche Variationen von Liegestützen. Toll. Ich schaffe ungefähr zweieinhalb Liegestütze, aber auf keinen Fall halte ich das eine Minute am Stück lang durch. Danach folgt die „lohnende Pause“ und dann weiter zu nächsten Übung. Als die Stunde um ist – es kam mir vor wie fünf Stunden – bin ich durchgeschwitzt, geschafft und wütend. Ihr könnt mich mal. Ich lass Clara stehen und radle wütend davon. Na schön, ich krieche davon, denn ich bin TOTAL im Arsch.

Zwei Tage später. Clara traut sich endlich mich anzurufen. „Kommst du nochmal mit?“ Ich habe so dermaßen einen Muskelkater in den Armen und Bauch, dass ich nicht mal lachen kann, ohne dass es weh tut. „Jaaa…“ Keine Ahnung welche masochistische Ader mich da antreibt. Diesmal sind Beine- und Po-Übungen dran. Wir machen Kniebeugen, entwürdigende Frosch- und Affen-Übungen auf dem Boden und sehen dabei aus, wie eine kleine Gruppe voller Irrer. Ab und zu bleiben Passanten stehen und sehen uns beim Turnen zu. Damit muss ich wohl leben.

Die „Bootcamp“-Trainerin meint, dass wenn ich weiterhin mit sporteln möchte, sie mich vermessen wird. „Ich möchte.“ Keine Ahnung wer da aus mir spricht.
Clara und ich kommen nun drei Mal die Woche abends für eine Stunde um uns, wie ich es nenne „quälen zu lassen.“ Aber es ist irgendwie ganz lustig. Mittlerweile habe ich mich mit den anderen Teilnehmern angefreundet und es ist etwas ganz anderes, als im Fitness-Studio. Ich bin draußen an der frischen Luft mit meinen neuen Bekannten und schwitze mir den Arsch ab. Die Übungen variieren von Mal zu mal, so dass es nie langweilig wird, sondern immer anstrengender, wie ich mir einbilde. Beim fünften Mal finde ich sogar meine Lunge wieder und mir ist fast gar nicht mehr übel beim Lauf-ABC.
Ab und zu ist es auch ein wenig peinlich, denn Marina, die Trainerin bringt eine Art „Sex-Schaukel“ mit, in der man mit eingehängten Beinen Liegestütze macht. Meine unsportliche Art lässt mich jedoch aussehen, als wäre ich ein Mann in der Missionarsstellung, ich muss mich also richtig zusammen reißen und mehr Muskeln aufbauen, damit das richtig klappt. Und auch bei der Raupe, bei der man Liegestütz-artig herum kriecht, mache ich nicht die beste Figur. Aber ehrlich gesagt, liegt es an mir und nicht an den Übungen. Ich habe einfach zu wenig Kraft.

Drei Monate später. Ich bin mittlerweile richtig fit geworden und auch ein wenig sportgeil! Clara und ich sind brav drei Mal die Woche gegangen und Clara hat mich jedes Mal mit dem Rad abgeholt, nur für den Fall, dass ich kneifen möchte. Keine Ahnung wie ich es durch gehalten habe, mich drei Mal die Woche durch die verschiedensten Übungen zu quälen und habe mich dennoch jedes Mal besser danach gefühlt. Angeblich soll Sport ja Endorphine freisetzen. Allerdings liegt es, denke ich einfach Mal an dem Konzept von „Bootcamp“. Sport. Draußen. Mit Freunden. Im Regen. In der Hitze. Im Schnee. Nicht kneifen, sondern Zähne zusammenbeißen lautet die Devise. Ich glaube es macht mich auch in anderen Lebenssituationen tougher und das Gute daran ist: Ich bin tatsächlich fitter geworden und habe an Kraft und Muskeln zugelegt. Neulich war ich freiwillig schwimmen und habe eine Stunde am Stück durch gehalten. Ich muss auch nicht mehr Schnaufen an der Treppe und habe ganz nebenbei Sechs Zentimeter am Umfang am Bauch verloren. Mein Körperfettanteil, auch wenn ich es nicht darauf angelegt habe, ist nun auch geringer und ab und an erwische ich mich dabei, wie ich auf der Stelle „skippe“. Doch das würde ich vor Marina nie zugeben, am Ende spornt es sie dann nur mehr an, mich weiter so zu quälen.

Mehr Infos zum Bootcamp gibt’s unter bootcamp-muenchen.de